Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass vor dem Obersten Verwaltungsgericht ein für unseren Mandanten günstiges Urteil zur festen Niederlassung ergangen ist. In der Entscheidung wies das OVG – das unsere Argumentation akzeptierte – darauf hin, dass unser Mandant nicht als eine feste Niederlassung auf dem polnischen Staatsgebiet angesehen werden kann, da er weder eigene Mitarbeiter in Polen hat noch die Mitarbeiter seines Geschäftspartners kontrolliert.

Anschließend hat das OVG das negative Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Warschau und  die vom Leiter der Finanzkammer Warschau im Namen des Finanzministers erteilte verbindliche Auskunft aufgehoben.

Das beschriebene Urteil ist ein großer Erfolg – sowohl für unseren Mandanten als auch für unsere Steuerberater. Dabei ist es auch für alle Steuerzahler von Bedeutung. Denn mit dem Urteil wird eine für die Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung geschaffen, nach der das Bestehen einer festen Niederlassung ohne ausreichende personelle Ressourcen nicht vorausgesetzt werden kann.

Einzelheiten des Falles

Der vom OVG untersuchte Fall betraf eine verbindliche Auskunft, die auf Antrag unseres Mandanten (nachfolgend auch „das Unternehmen“) erteilt wurde.

Im Antrag auf die verbindliche Auskunft gab das Unternehmen insbesondere an, dass:

  • es seinen Geschäftssitz in Italien hat und in Italien steuerlich ansässig ist;
  • es im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit einen Vertrag über die Auftragsfertigung, einen Vertrag über die Erbringung integrierter Logistikdienstleistungen, einen Vertrag über die Erbringung integrierter Verwaltungsdienstleistungen und einen Vertrag über Marketing- und Vertriebsunterstützung mit einem polnischen verbundenen Unternehmen abgeschlossen hat;
  • sich die im Rahmen der oben genannten Verträge durchgeführten Tätigkeiten auf die Erbringung bestimmter Dienstleistungen für das Unternehmen, den Kauf von Rohstoffen von dem Unternehmen und die Lieferung von Waren an das Unternehmen in Polen beschränken;
  • es im Zusammenhang mit dem Abschluss der oben genannten Verträge weder über eigenes Personal, das in seinem Namen tätig ist, noch über technische Einrichtungen in Form von Immobilien, Maschinen oder Ausrüstung, die dem Unternehmen gehören, in Polen verfügt;
  • die zwischen dem Unternehmen und seinem Geschäftspartner abgeschlossenen Verträge dem Unternehmen kein Kontroll- oder Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern des Geschäftspartners gewähren. In den oben genannten Verträgen wurde auch kein Recht verankert, frei über das Anlagevermögen seines Geschäftspartners zu verfügen bzw. die Lagerräume des Geschäftspartners zu betreten.

Vor diesem Hintergrund wollte das Unternehmen bestätigt bekommen, dass es im oben beschriebenen Sachverhalt/zukünftigen Ereignis keine feste Niederlassung in Polen hat (nachfolgend „die feste Niederlassung“).

Der Leiter der Finanzkammer Warschau stellte nach Prüfung des Antrags des Unternehmens fest, dass es durch den Abschluss der vorgenannten Verträge und die Ausübung der darin vorgesehenen Tätigkeiten eine feste Niederlassung in Polen gegründet hatte. Diese Stellung wurde, nachdem wir eine Beschwerde im Namen des Mandanten eingereicht hatten, auch vom Oberen Verwaltungsgericht Warschau bestätigt.

Kassationsklage

Das Unternehmen, das mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war, hat beim Obersten Verwaltungsgericht eine Klage eingelegt. Zur Unterstützung unseres Mandanten argumentierten wir, dass in diesem Fall nicht alle rechtlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für das Bestehen einer festen Niederlassung erfüllt waren. Der Fokus der Argumentation lag darauf, dass in diesem Fall die vorausgesetzte angemessene Struktur in Bezug auf personelle und technische Ausstattung fehlt.

Dementsprechend haben wir verdeutlicht, dass diese Voraussetzung erst dann als erfüllt gelten kann, wenn man:

  • über eigene personelle Ressourcen in Polen (z. B. in Form von angestellten Arbeitnehmern) und eigene technische Ausstattung (z. B. in Form von Eigentumsrechten an Immobilien, Maschinen oder Ausrüstungen) verfügt oder
  • solche technische und personelle Ressourcen für in Polen ausgeführte Geschäfte verwendet, die von anderen Einrichtungen, über die der Steuerpflichtige ein Kontroll- und Weisungsrecht tatsächlich ausübt, zur Verfügung gestellt werden.

Gleichzeitig machten wir geltend, dass es für unseren Mandanten nicht zutrifft.

Zur Untermauerung unserer Position verwiesen wir u.a. auf das EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2014 in der Rechtssache Welmory C-605/12 (und die Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott in dieser Sache) sowie auf das jüngste EuGH-Urteil vom 3. Juni 2021 in der Rechtssache Titanium C-931/19.

Entscheidung des OVG

Nach der Prüfung dieses Falls hat uns das Oberste Verwaltungsgericht zugestimmt. In der mündlichen Urteilsbegründung wies das OVG auch darauf hin, dass seines Erachtens das Unternehmen keine feste Niederlassung hat, da es weder über eigene personelle Ausstattung in Polen verfügt noch die personellen Ressourcen seines Geschäftspartners kontrolliert.  Um seinen Standpunkt zu begründen, berief sich das OVG auf eine Reihe von EuGH-Urteilen – darunter auch solche, die wir im Laufe des Verfahrens erwähnt hatten.

Im Verfahren vor der OVG wurde unser Mandant durch folgende Personen vertreten: Szymon Karpiński – Steuerberater und Partner von SENDERO Tax & Legal und Monika Bilska – Steuerberaterin von SENDERO Tax & Legal.

 

Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts vom 29. Juli 2021 Aktenzeichen I FSK 660/18