Die Gerichte sind befugt, die Höhe der Vertragsstrafen zu reduzieren, wenn sie diese für überhöht halten. Aber sie müssen eine solche Entscheidung gut begründen.
Strafminderung – Kriterien
In seinem Urteil vom 19.01.2024* verweist der Oberste Gerichtshof (OGH) auf die Grundsätze der gerichtlichen Minderung von Vertragsstrafen. Er erläuterte, dass der Hauptzweck ihrer Minderung darin besteht, eine Situation zu vermeiden, in der die Strafe im Verhältnis zu dem sogenannten schutzwürdigen Interesse des Gläubigers zu hoch ist.
Gleichzeitig betonte er, dass der Katalog der Umstände, die eine Strafminderung rechtfertigen können, offen ist. Er beschränkt sich nicht auf das Verhältnis zwischen der Höhe der zu zahlenden Strafe und dem Schaden oder der Entschädigung, die dem Gläubiger nach allgemeinen Grundsätzen zusteht. Es geht auch um das Verhältnis zwischen der Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe und dem Wert des Vertragsgegenstandes oder der Höhe der zu zahlenden Vertragsvergütung.
Die Gerichte sollten folgende Fragestellungen beachten:
- Welcher Art waren die Vertragsverletzungen des Schuldners – waren sie schwerwiegend und langwierig oder geringfügig?
- Hat der Schuldner in irgendeiner Weise von der Nichteinhaltung des Vertrags profitiert?
- War es die Absicht der Parteien, dass die Strafe eine „strafende“ Funktion gegen den Schuldner haben sollte und nicht einfach den Gläubiger entschädigen?
Wie sollte das Gericht die Strafminderung begründen?
Der Oberste Gerichtshof fasste zusammen, dass die Minderung einer Vertragsstrafe Ausdruck des so genannten Richterrechts ist.
Das Gericht hat also einen gewissen Ermessensspielraum bei der Beurteilung, wann eine Strafe zu hoch ist, und muss sich nicht allein auf strenge Berechnungen stützen; um sich jedoch nicht dem Vorwurf der Willkür auszusetzen, sollte die Begründung auf die oben genannten Kriterien Bezug nehmen. Das Gericht muss in angemessener Weise darlegen, dass die herabgesetzte Vertragsstrafe immer noch den Zweck erfüllt, für den die Vertragsstrafen vorgesehen sind, und für den Gläubiger nicht grob unbillig ist.
Zusammenfassung
Vor Gericht kann die vorbehaltene Vertragsstrafe herabgesetzt werden. Allerdings muss das Gericht seine Entscheidung anhand der vom Obersten Gerichtshof genannten Kriterien begründen (z. B. Verhältnis der Vertragsstrafe zum Wert des Vertrags, Art des Verstoßes, Vorteile des Schuldners).
Zusammenfassend lässt sich für die Vertragsparteien feststellen, dass die Gerichte bei der Minderung der Vertragsstrafen über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen, der jedoch auf der Grundlage bestimmter Kriterien ausgefüllt werden muss. Die Anwendung dieser Kriterien in der Praxis sollte sich in der Begründung des Urteils widerspiegeln. Die Parteien sollten dieses Wissen nutzen, um die Höhe der Strafen entsprechend zu gestalten oder um sich gegen überhöhte Strafen zu wehren.
*(Az.: II CSKP 865/22)