Am 22. August 2022 wurde der Tenor eines EuGH-Urteils im Amtsblatt der EU veröffentlicht, in dem der Gerichtshof die Praxis der polnischen Steuerbehörden für unannehmbar erklärte, die dazu führte, dass einem Steuerzahler, der seinem Lieferanten eine falsche USt-IdNr. für die Zwecke eines innergemeinschaftlichen Erwerbs angegeben hatte, wegen fehlerhaften Ansatzes eines Reihengeschäfts unreflektiert eine Umsatzsteuersanktion auferlegt wurde. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Fristen zu laufen, innerhalb derer Sie die Wiederaufnahme eines ungünstigen Verfahrens beantragen können, in dem Sie zu Unrecht mit dieser Steuerart belastet wurden.
Was folgt aus dem Urteil?
Aus dem fraglichen Urteil geht hervor, dass die so genannte „Umsatzsteuersanktion“, die gegen einen Steuerpflichtigen gemäß Artikel 25 Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes verhängt wird, weil er für Umsatzsteuerzwecke eine USt-Id.Nr. aus einem anderen Land als dem Land, in dem die Beförderung endete, angegeben hat, nicht anwendbar ist, wenn dieser Umstand auf eine fehlerhafte Angabe eines Reihengeschäfts durch den Vermittler zurückzuführen ist, das kein Bestandteil eines Steuerbetrugs ist, und der Lieferant der Gegenstände im Rahmen des innergemeinschaftlichen Erwerbs angesichts der geltenden Rechtsvorschriften des Landes, in dem die Beförderung der Gegenstände begann, keine Umsatzsteuerbefreiung anwenden konnte und verpflichtet war, den Umsatz zum nationalen Umsatzsteuersatz zu besteuern. Nach Ansicht des Gerichtshofs würde die Erhebung einer Umsatzsteuersanktion in einer solchen Situation zu einer Doppelbesteuerung desselben Umsatzes führen und gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität verstoßen.
Aufgrund dieses Urteils sollte die Erteilung einer falschen USt-IdNr. für die Zwecke eines innergemeinschaftlichen Erwerbs nicht zur Zahlung der Umsatzsteuersanktion führen.
Für wen ist das Urteil wichtig und welche Möglichkeiten bietet es?
Das Urteil ist für alle Steuerpflichtigen von Bedeutung, die als Zwischenhändler an einem Reihengeschäft beteiligt waren und das sogenannte bewegte Lieferung falsch erfasst haben (d.h. die an sie erbrachte Warenlieferung als Inlandsgeschäft ansetzten, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine igL handelte), mit der Folge, dass das Finanzamt:
- den Umsatz des Zwischenhändlers von einem Inlandsgeschäft in eine innergemeinschaftliche Lieferung (igL) umklassifiziert,
- den Lieferanten zur Zahlung der in der Rechnung an den Zwischenhändler ausgewiesenen Umsatzsteuer verpflichtet,
- dem Zwischenhändler das Recht auf Vorsteuerabzug für die in der vorgenannten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer verweigert (was dazu führt, dass dem Zwischenhändler diese Steuer tatsächlich zu Lasten fällt),
- den Zwischenhändler verpflichtet, die Umsatzsteuer auf den igE in Polen abzurechnen, ohne das Recht auf Vorsteuerabzug zu haben.
Der Zwischenhändler wurde also zweimal mit Steuern belastet – das erste Mal bei der Rechnung des Lieferanten und das zweite Mal bei dem igE.
Das betreffende EuGH-Urteil bietet die Möglichkeit, die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer auf igE in den vorgenannten Fällen zurückerstattet zu bekommen. Dies kann auf folgende Art und Weise erfolgen:
- Stellung eines Antrags auf Wiederaufnahme des Steuerverfahrens, wenn Ihnen ein bestandskräftiger Steuerbescheid zugestellt wurde, der mit dem EuGH-Urteil unvereinbar ist;
- Erhebung einer Klage auf Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – wenn Ihnen ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts zugestellt wurde, mit dem die Entscheidung der Steuerbehörde entgegen dem Urteil des EuGH akzeptiert worden ist.
Bei Steuerverfahren beträgt die Frist für die Stellung des Antrags auf Wiederaufnahme einen Monat und bei Verwaltungsgerichtsverfahren drei Monate ab Veröffentlichung des Tenors des EuGH-Urteils im Amtsblatt der EU (d.h. ab dem 22. August 2022).
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